Poetry-Slam: Sind sie zu stark, bist du zu …

Geschrieben von Geschichtenfinderin Christina Oskui

Autorin, Geschichtenfinderin, Social-Entrepreneurin, in Hamburg geboren, verheiratet, 2 Kinder
1. Juni 2024

In meinem vorherigen Artikel: „Schreib doch auch einen Blog, Christina“, habe ich ja bereits geschildert, dass ich anfangs nicht wusste, dass meine Kurztexte in das Genre: Poetry-Slam-Texte passen. Mittlerweile schreibe ich häufig und mit viel Freude derartige Texte, deshalb hier eine kleine Kostprobe.

„Dat hev ick schon op de Elvbrücken wusst, wer Shiet schickt, kriegt Schiet wedder!“

Richard Schult, mein Opa

Bist du zu stark, sind sie zu schwach!

Mein Opa war eher so der kernige Typ, wenn ich ihn nach einem Bonsche fragte, bekam ich nicht etwa einen „Werthers Echte“, nein, ich bekam einen Eukalyptus Menthol Bonbon, die für Kindergaumen damals schon, lange vor „Fishermans Friend“, die „Fishermans Friend“ waren, also der TURBO-schärfste-Bonsche.

Ich war für meinen Opa dennoch etwas „ganz Besonderes“, denn ohne dass er es mir je gesagt hätte, traute er mir im zarten Alter von vier Jahren zu, dass ich so einen Bonsche vertragen konnte.

Ich nehm´ ihm das nicht übel, schließlich war er ein starker Raucher. Die dicksten Havannas hingen in seinem Mundwinkel und ich hing an seinen Lippen, wenn er denn ab und zu was sagte.

Manchmal brummelte er einem Fußgänger ein schlichtes: „Moin“ entgegen, der seinen Weg kreuzte, mehr nicht.

Und ich staunte, wie der Zigarrenstummel ungerührt in seinem Mund blieb.

Wenn er es sich dann abends gemütlich machte, rauchte er seine Pfeife, dazu gehörten natürlich spezielle Utensilien, die wir Kinder neugierig in Augenschein nahmen, als er das mitkriegte, sagte er nur: „Wenn du da die Finger reinsteckst, sind die ab!“

Also fassten wir den Zigarrenknipser nicht mehr an, aber den Aschenbecher, der einen Drehmechanismus hatte und einen goldenen Knauf, ließ uns nicht in Ruhe.

Wir drückten also den Knauf runter und die Karussellfahrt konnte beginnen. Es versuchte immer eine von uns dreien schnell genug die Finger reinzustecken, um den Inhalt, der uns ja immer verborgen blieb, herauszubefördern.

Das einzige, was sich in Bewegung setzte, war die kalte Asche, die uns entgegenflog.

Nachdem wir davon eine gehörige Ladung inhaliert hatten, nahmen wir uns selbst einen von den Eukalyptus-Menthol-Bonschen aus seinem Sekretär und fühlten uns Erwachsen.

Als ich lange nach dem Tod meines Opas, die Werbung zu „Fishermans Friend“ sah, mit dem Slogan:

„Sind sie zu stark, bist du zu schwach!“,

war es für mich, wie ein Gruß aus dem Jenseits.

Dieser eine Satz sprach das aus, was ich schon die ganze Zeit wusste, mein Opa fand mich stark!

So traute ich mir auch selbstverständlich mit fünf Jahren zu, mit dem alten Herrenfahrrad meines Opas zu fahren.

Es ist zwar bis heute nicht daran zu denken, dass ich auf ein 28 er Herrenfahrrad ohne fremde Hilfe rauf komme, aber im Gegensatz zu heute, löste ich das Problem, in dem ich mich auf die Pedale stellte, die Stange auf meiner Schulter ruhte, ich das Fahrrad in Schieflage brachte und munter los eierte, durch die Gärten, der Jagdbahnkoppel, an der Horner Rennbahn.

In Weg 1 angekommen, wohnten damals meine Freunde, die Zwillinge, sie übten noch mit ihrer Mutter und Stützrädern ausgestattet, kurze Strecken mit dem Rad zurückzulegen.

Da die beiden echte Haudegen waren, mussten sofort die Stützräder abmontiert werden und sie bekamen dann sehr schnell, zu meinem Leidwesen, coole Bonanzaräder, ich dagegen erbte das alte blaue Fahrrad meiner Schwester.

Jetzt könnt ihr ruhig alle einmal laut: „OOOHHHH!“, rufen oder euer Bedauern anders ausdrücken…

… denn schließlich hatte ich damals noch keinen Fahrradhelm und immer wenn ich mir Opas Rad schnappte und doch übermütig meine Runden drehte, knallte mir die Stange an den Kopf.

Und jetzt keine Kommentare, schließlich war ich nicht aus Zucker und in Watte gepackt, aufgewachsen.

Bei uns hat noch keiner darauf aufgepasst, dass man nicht passiv mitrauchte. Mein Opa quazte seine Zigarren nach Lust und Laune.

Wenn ich von der Schule kam, sah ich zunächst Opas Fahrrad im Garten stehen und auf dem Weg zu unserer Haustür, vernahm ich schon den Zigarrengeruch.

Ich ging ins Haus, wie in eine andere Welt, hindurch durch blauen Dunst und Nebelschwaden.

Obwohl ich längst das Rauchen angefangen und auch wieder aufgehört habe, schnuppere ich immer noch gerne kurz Zigarrenrauch, aber nur die echten Havannas!

Das ist wie mit den Bonschen, denn sind sie zu stark, bist du zu schwach!

Poetry-Slam Text: Sind sie zu stark, bist du zu …

(c) Christina Oskui

© Fotos Christina Oskui (soweit nicht anders im Bild vermerkt)

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert