Seit vielen Jahren schreibe ich bereits. Als meine Kinder noch zur Schule und in die KiTa gegangen sind, habe ich die Vormittage genutzt und Kindergeschichten geschrieben, die ich dann in der jeweiligen Schule und KiTa vorgelesen habe. Den Kindern und auch den Erzieher:innen, Lehrer:innen und selbst der Schulleitung gefielen meine Geschichte so gut, dass mich die Schulleiterin der Grundschule ansprach und meinte, ich solle meine Geschichten an Verlage schicken.
Hausfrauenblues und Jammerlyrik
Ermutigt durch diese Schulleiterin habe ich die ersten Manuskripte bei Verlagen eingereicht und auch gleichzeitig begonnen, zu recherchieren, wie man das macht, denn ich bin eine Quereinsteigerin. Auf XING habe ich dann einige Schreibgruppen gefunden, wo ich verschiedene Schreibtechniken erlernen konnte und einen Austausch mit gleichgesinnten Hobbyschreiber:innen hatte.
Zu der Zeit begannen viele einen Blog zu schreiben und mir wurde das auch empfohlen, aber was sollte ich da schreiben? Vor allem, wie sollte ich das regelmäßig machen? Wen würde es überhaupt interessieren, worüber ich schreibe?
Die Zweifel wurden dann noch größer, als ich in einem der Schreibforen auf Widerspruch stieß. Meine Texte, die ich dort veröffentlicht hatte, wären „Gejammer“ und „Hausfrauenblues“, das hat mich sehr gekränkt. Zumal ich auch in meinem privaten Umfeld auf keinerlei Verständnis für mein schriftliches Mitteilungsbedürfnis stieß.
Mittlerweile hatte ich mich in anderen Bereichen bewegt, d.h. meine Texte wurden bissiger. Für mich ein gutes Ventil meinem Alltag als Hausfrau und Mutter zu entfliehen, schließlich war ich das nicht immer. Bevor meine Kinder geboren wurden, war ich Vertriebsbereichsleiterin mit eigenen Mitarbeitern, ja überwiegend Mitarbeitern, mit Chefs, denen ich auch schon ab und zu Paroli bieten musste.
Empathie! Was ist das? Kann man das essen?
Beschreibungen, wie „Glass-Ceiling“ die sprichwörtlich unsichtbare Decke, waren mir damals noch unbekannt und so machte ich fleißig meine Arbeit. Manchmal waren es 14-Stunden-Tage, was ich nicht einmal bemerkte.
Mein Schlüsselerlebnis hatte ich eines Tages, als zwei meiner Chefs mich zu einem Abendessen einladen wollten. Ich reagierte darauf mit den Worten: Ich habe noch zu tun.
Und anstatt mir Unterstützung anzubieten, gingen sie mit den Worten „Machen Sie nicht mehr so lang“ und „Schönen Feierabend“ aus dem Büro weg, um auf Kosten der Firma in einem guten Restaurant den Abend zu verbringen.
Da überlegte ich mir, ob ich so weitermachen wollte mit meinen ständigen Überstunden und Außendienstterminen, ohne auch nur einen Funken der Anerkennung meiner Arbeit, ohne Wertschätzung für mich als Führungskraft.
Von der Hobbyschreiberin zur Autorin
Zuhause mit Kindern war ich dann nicht mehr Chefin, ich ordnete mich dem Tagesablauf meiner Familie ein, waren die Kinder in Schule und KiTa begann mein Autorinnendasein. Ich war trotz der räumlichen Begrenzung wie Zuhause, Supermarkt, KiTa, Schule, nachmittägliche Aktivitäten der Kinder, dennoch in einer anderen Welt.
Meiner Welt von Geschichten, Märchen und Fabeln. Ich schrieb auch Kolumnen über Eltern, vorzugsweise Mütter, Satiretexte, wenn die Begegnungen auf Elternabenden für mich nicht auszuhalten waren oder auch Drabble, weil ich gelernt hatte, wie man in nur 100 Worten eine Geschichte schreiben kann.
Aber einen Blog schreiben, das machen doch die anderen und dafür muss man sich auch mit der damit verbundenen Technik auskennen. Wen sollte ich denn dazu fragen?
Kinderbuchverlage antworteten nicht oder schickten Absagen, ich schrieb zum Ausgleich weiter Gedichte, Kolumnen, makkaronische Verse. Satire, um mit der Enttäuschung klarzukommen.
Je mehr Manuskripte ich verschickte, umso mehr Absagen erhielt ich.
Die ersten Veröffentlichungen erfolgten online
Es schrieb mich ein Betreiber einer Online-Plattform an, ob ich nicht meine Texte dort veröffentlichen wolle.
Ich fühlte mich sehr geehrt und freute mich so sehr über dieses Angebot, dass ich munter neue Texte verfasste, die ich regelmäßig einreichte. Auf die Idee, ein Honorar für meine Texte zu fordern, kam ich gar nicht erst. Schließlich wurden – besonders auf XING – meine Satiretexte verrissen, meine Grammatik kritisiert und wenn ich ein Gedicht veröffentlicht hatte, wurde das Versmaß bemängelt.
Langsam verstand ich, dass ich nicht nach den Regeln gespielt hatte; auch meine Manuskripte wiesen natürlich die Grammatikschwächen aus. Ich dachte anfangs wirklich, dass Verlage Geschichten nach dem Inhalt bewerten, da sie ja vor Ort Lektor:innen und ein professionelles Korrektorat haben, die diese Makel ausbügeln konnten.
Für das Online-Portal gab es ein Lektorat und ich brauchte nur meine Texte zu liefern, alles andere machten sie. Ich erhielt Statistiken über meine Klickzahlen, die beachtlich waren und mich weiter motivierten, so sehr, dass ich weitere Texte einreichte und dann auch nach einem Honorar fragte.
Mir wurde mitgeteilt, dass ich mich bei der Verwertungsgesellschaft Wort (VG-Wort) anmelden müsse, um Tantiemen zu erhalten, ein Honorar würden sie aber nicht zahlen.
Monatlich hatte ich zwischen 1.500 und 2.000 Aufrufe meiner Texte. Als ich bei über 90.000 Klicks angelangt war, schaltete das Portal zusätzlich Werbung auf ihrer Seite und die Klicks konnten nicht mehr von den Beitragenden eingesehen werden.
Selbst zu dem Zeitpunkt bin ich nicht auf die Idee gekommen, einen eigenen Blog zu schreiben.
Kinderbuchveröffentlichung im Selbstverlag
Mein Fokus richtete sich auf die Professionalisierung meiner Kindergeschichten ich ließ meine Geschichten lektorieren und illustrieren, bevor ich sie zu einem Verlag schickte. Es gab weiterhin Absagen, bis ich mein erstes Kinderbuch im Selbstverlag veröffentlichte.
Auch das war nicht richtig, denn zu dem Zeitpunkt, als ich das gemacht habe, galten Bücher, die im Selbstverlag veröffentlicht wurden als qualitativ minderwertig. Zum Glück haben viele Selfpublisher:innen zwischenzeitlich das Gegenteil bewiesen.
Als Autorin habe ich viele verschiedene Wege versucht, mehr Sichtbarkeit zu erhalten, nicht für mich als Person, das ist mir gar nicht so wichtig, eher für meine Arbeit und meine Texte.
„Aber einen Blog veröffentlichen?„, damit mache ich mich doch wieder angreifbar und auch sichtbar mit meinem Leben. Damals wollte ich das bewusst nicht und habe auf der Online-Plattform unter einem Pseudonym veröffentlicht, nicht auszudenken, wenn Mütter aus der Schule und / oder KiTa meiner Kinder erfahren hätten, was ich über sie denke bzw. wie ich Erlebnisse fantasievoll zuspitzen kann.
Wie z.B. in dem Text: „Führung eines Jungunternehmens“.
„Trolle nicht füttern!“
Auf Xing habe ich unter meinem richtigen Namen und unter meinem Pseudonym viel probiert. Ich fand immer mehr Foren, in denen ich mich aktiv beteiligte, authentisch, offen und ehrlich, bis jemand einen Satiretext von mir nicht von mir als Person trennen konnte und ich plötzlich Anlass für einen Shitstorm gab.
Dieser „User“ hat sogar meine IP-Adresse veröffentlicht und plötzlich war meine private Anschrift im Netz. Meine Kinder waren damals 9 und 6 Jahre alt und ich zog die Reißleine. Ich machte von meinem Recht „auf Vergessenwerden im Netz“ Gebrauch und löschte alle meine Texte, die ich zum Teil nur in den Foren veröffentlicht hatte. Kein Netz, kein doppelter Boden, sie waren weg, auch für mich weg, weil ich sie nicht anderweitig gespeichert hatte.
Erst seit 2011 gibt es dazu eine Regelung, die allerdings noch nicht gesetzlich verankert ist.
Mit einzelnen Moderator:innen musste ich dann noch Schriftverkehr führen und klar machen, dass ich, wenn ich meine eigenen Texte zurückziehe, keine Zensur sondern nur den Schutz meiner Familie bezwecke.
Jahre später erfuhr ich, dass es sogenannte „Trolle im Netz“ gibt, die sich auf andere stürzen, um sie schlecht dastehen zu lassen.
Ein schöner Zufall
Dennoch schrieb ich weiter, wenn ich auch nichts mehr für Erwachsene veröffentlichte, bis ich durch einen Zufall auf einer Messe, bei der ich mein erstes selbstveröffentlichtes Kinderbuch verkaufte, den ersten Poetry-Slam besuchte. Jan-Philipp Zymny trat im Abendprogramm, der schriftgut Messe in Dresden auf.
Nun auch noch Poetry-Slamerin…
Sein Text „Märchen mit Opa“ gefiel mir sehr und ich musste über den Inhalt und seine drollige Perfomance sehr lachen. Worüber ich mich jedoch am meisten freute, waren die anderen Menschen im Publikum, die sichtlich Spaß hatten, den Text verstanden, freudig applaudierten. Die anderen Slammer:innen, die auftraten, bekamen ebenso frenetischen Applaus und mir ging in diesem Spektakel ein Licht auf!
Meine Texte, die Nutzer der Plattform XING nicht verstanden oder verstehen wollten, eigneten sich für die Poetry-Slam-Bühne.
Also recherchierte ich, welche das in Hamburg waren, ich fand eine „offene Liste“, wo man sich am Abend für noch freie Plätze anmelden konnte, um seine Texte vorzutragen. Mutig meldete ich mich beim „Molotow“ an und bekam die Chance, meinen ersten Poetry-Slam-Text vorzulesen.
Von der „Slam-Family“ wurde ich als unbekannte Autorin herzlich aufgenommen; es war eine starke, wohlwollende Gemeinschaft. Das Publikum bewertet direkter, aber auch viel ehrlicher, wie ich meine. Ich hatte endlich meinen Glauben an meine eigene Kunst wiedergefunden.
Faire Regeln
- Es gibt eine 5-köpfige Jury, die sich aus dem Publikum freiwillig meldet
- Maximale Punktzahl je Jurymitglied 10 Punkte
- 5 Minuten sollte der Text lang sein
- Niemand wird ausgebuht, wenn ein Text nicht gefällt, wird schlimmstenfalls vorzeitig abgebrochen
- Alle Vortragenden werden wertgeschätzt für ihre Textarbeit
- Es kann frei vorgetragen werden oder mit Manuskript
- Der erste Preis ist ein Alltagsgegenstand, den einer der Moderator:innen mitgebracht hat.
So mutig und überzeugt wie am Anfang, als ich mich auf der offenen Liste eintragen hatte, war ich nun nicht mehr. Mir rutschte mein Herz in die Hose und ich bekam weiche Knie.
Ich las ein wenig zu schnell, erreichte die Hälfte der Punktzahl, durfte dennoch meinen Text von Anfang bis Ende vortragen und erhielt auch einen ordentlichen Applaus und so manche Lacher.
Für mich war es genug, um noch weitere Male aufzutreten, zuletzt im Sommer 2022 in „Planten un Blomen“ im Rosengarten vor zufällig vorbeilaufendem Publikum.
Auch ich habe einen Poetry-Slam-Text meinem Opa gewidmet, er heißt:
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